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Was geschah eigentlich in dieser Woche (27. Mai) vor 189 Jahren?

27.05.2021 fingerprint KHJ

27.Mai 1832

Zwischen 20.000 und 30.000 Männer und Frauen aus allen Schichten der Bevölkerung sollen es sein, die an jenem Tage im Jahre 1832 zum Hambacher Schloss hinaufgehen. Zum ersten Mal in Deutschland protestieren Bürger gegen Fürstenwillkür. Sie halten flammende Reden für die Freiheit des Einzelnen und gegen die Bevormundung durch staatliche Behörden. Außerdem fordern sie ein geeintes deutsches Vaterland.


Nicht zufällig befindet sich der Versammlungsort im Westen des Reiches, in der Rheinpfalz, Frankreich ist nicht weit, dass 40 Jahre zuvor die absolute Macht des in Versailles vom Volk entrückten Monarchen zerbrach. Westlich davon liegt England, das schon viele Jahrhunderte vorher anfängt, die Macht des Alleinherrschers einzugrenzen. 1215 muss König Johann den Baronen Mitsprache in Justiz- und Finanzfragen zugestehen. Auch darf er ihnen nicht verwehren, die Insel zu verlassen.


Je weiter wir nach Osten schauen in Europa, umso autoritärer werden die Regierungen, und der Drang nach persönlicher Freiheit nimmt ab. Russland wird erst 1907 ein Parlament wählen können ohne die Allmacht des Zaren wirklich einzuschränken. Und dies, obwohl Zar Peter I. in einem Gewaltakt sein bisher von Europa isoliertes Reich dem Westen öffnet, symbolisch dafür die Gründung St. Petersburg 1703, übrigens auch an einem 27. Mai.


Glückliches England, während im übrigen Europa die Völker ihren Herrschern Verfassungen abtrotzen müssen, um die Willkür einzudämmen, so hat das Inselreich bis heute keine geschriebene Verfassung, dafür hat es eine gelebte Kultur der Freiheit und eine gesunde Skepsis gegenüber jeder Staatsmacht. So braucht z.B. der Brite keinen Personalausweis. Was geht es den Staat auch an, wo der Einzelne wohnt? Im gleichen Jahr 1832 werden übrigens Reformern beschlossen, die mehr Bewohnern der Insel das Wahlrecht zugestehen, und somit die demokratische Legitimation des Parlaments auf eine breitere Basis stellen.


Im Deutschen Reich herrschen da andere Gesetze. Kaum haben die Bürger Hambach wieder verlassen, beginnen die Verhaftungen. Georg Büchner, 7 Göttinger Professoren, die wegen ihres Freiheitskampfes ihre Anstellung verlieren, stehen dem österreichischen Staatskanzler Metternich und seinen Karlsbader Beschlüssen gegenüber, die jede freiheitliche Regung unter Studenten ersticken wollen.


1848 wird der Druck zu groß. In Paris fängt die Revolution an, sie schwappt über nach Berlin und Wien, Metternich muss nach London fliehen. In der Frankfurter Paulskirche versammelt sich das erste frei gewählte deutsche Parlament, man darf reden; auch eine Verfassung verabschieden, die den preußischen König zum deutschen Kaiser bestimmt, Friedrich Wilhelm IV. aber lehnt 1849 ab, schickt Truppen und treibt das Parlament auseinander. Das deutsche Bürgertum kümmert sich fortan um die ökonomische Entwicklung.


1871 erfüllt Bismarck den Wunsch nach der nationalen Einheit, aber sie ist durch das Schwert erkämpft, die Reichsgründungszeremonie im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zeigt eine Offiziersversammlung. Militär aber und Freiheit und Demokratie passen nicht zusammen. So kann der Reichstag zwar Gesetze erlassen, aber nicht die Regierung kontrollieren. Die ist allein vom Wohlwollen des Monarchen abhängig.


Das Deutsche Reich wird immer mächtiger, aber nicht freier. Als 1918 plötzlich die Demokratie über Deutschland hereinbricht, ist man nicht vorbereitet. Der Rest ist bekannt. Bald wird einer kommen, der wieder Größe und Ruhm des Staates verspricht, und man wird ihm folgen. Dass er die Freiheit unterjochen wird, stört nicht wirklich.


Freiheit und Bürgerrechte sind nie wirklich gesichert vor staatlichem Zugriff. Stehen vor zehn Jahren noch Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz gegen terroristische Bedrohung im Fokus, so geht es heute, im Jahre 2021, um dem Kampf gegen die Klimaerwärmung und das Coronavirus. Will Deutschland die Pariser Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung erreichen, muss der Staat Gesetze erlassen, die die persönliche Freiheit jedes Einzelnen einschränken werden.


Die Einschränkungen der Grundrechte durch die Coronaverordnungen basieren alle auf der Feststellung des Deutschen Bundestages, dass eine pandemische Notlage von nationalem Ausmaß besteht – bis zum 30. Juni 2021. Im Moment entspannt sich die Situation, aber die Zeitungen berichten, dass der Bundestag nach dem Willen der Regierung dieses Gesetz verlängern soll – allein auf die Annahme hin, dass sich die Lage im Herbst wieder verschärfen kann.


Gesundheitsvorsorge als Begründung für Grundrechtseinschränkungen – die Mütter und Väter des Grundgesetzes wären verwundert, vielleicht auch entsetzt. Der Staat fordert Eingriffsmöglichkeit in das Privatleben. Wie viel Freiheit wird sich Deutschland diesmal nehmen lassen?


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Geschichts-AG des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums | 2020 -
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