Die Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress nach dem Sturz Napoleons brachte die Rückkehr in alte Herrschaftsmuster. Die Enttäuschung über diese Restauration absoluter und kleinstaatlicher Fürstenherrschaft führte europaweit zu zahlreichen Aufständen, bis hin zur deutschen Revolution von 1848, die erfolglos war, aber nicht folgenlos blieb.
(3/3) Revolution von 1848/49 + Ausblick
Die Revolution von 1848 / 49
Im selben Jahr 1847 und im Jahr 1848 kam es in mehreren Ländern Europas zu gewaltsamen Aufständen. Im November 1847 flammte in der Schweiz ein Bürgerkrieg auf, der sogenannte „Sonderbundskrieg“, in dessen Folge sich die Schweiz im Jahr 1848 zu einem Bundesstaat mit einer freiheitlich orientierten Verfassung einte. Und als sich in Frankreich der „Bürgerkönig“ Louis Philippe der „Heiligen Allianz“ anschloss, kam es im Februar 1848 zum Ausbruch einer weiteren bürgerlichliberalen Revolution, der Februarrevolution, die schon nach wenigen Tagen zum Rücktritt des Königs und zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik führte. Die französische Februarrevolution löste Revolutionen auch in anderen Staaten Europas aus. So erhoben sich beispielsweise im März in Nord- und Mittelitalien Liberale und Demokraten gegen die österreichische Fremdherrschaft. Der Aufstand mündete bald in den ersten italienischen Unabhängigkeitskrieg.
Schon Ende Februar war der revolutionäre Funke aus Frankreich nach Baden übergesprungen. Eine badische Volksversammlung in Mannheim verlangte Presse- und Vereinsfreiheit, Schwurgerichte und ein deutsches Parlament. Ähnliche Versammlungen fanden in anderen deutschen Staaten statt, beispielweise in Württemberg, Hessen-Darmstadt und Nassau. Gewaltsame Zusammenstöße mit Regierungstruppen schlossen sich im März und in den Folgemonaten an mehreren Orten an – zum Beispiel mit dem sogenannten „Heckeraufstand“ und „Heckerzug“ in Baden im April –, die jedoch militärisch niedergeschlagen wurden. In Wien trat Mitte März Klemens von Metternich in Folge eines gewaltsamen Volksaufstands zurück und floh nach London. In Berlin kam es wenige Tage später zu Unruhen und Straßenkämpfen, die zunächst mit hohem Blutzoll unter den Aufständischen durch das Militär bekämpft wurden. König Friedrich Wilhelm IV. entschloss sich dann aber, auf die Forderungen einzugehen. Er huldigte den 230 „Märzgefallenen“ und stellte eine preußische Verfassung und sogar das Aufgehen Preußens in einem geeinten Deutschland in Aussicht. Unter anderem in Bayern – wo König Ludwig I zugunsten seines Sohnes Maximilian II. auf den Thron verzichtete –, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt und Hannover wurden sogenannte „Märzministerien“ mit liberalem Einschlag berufen. Auch der Bundestag in Frankfurt am Main zeigte sich nachgiebig und hob die Zensur für Druckschriften auf, erklärte den Reichsadler zum Bundeswappen und Schwarz-Rot-Gold zu den deutschen Bundesfarben. Vor allem gab der Bundestag seine Zustimmung dazu, dass Ende März in Frankfurt am Main ein aus 574 Mitgliedern bestehendes „Vorparlament“ zusammentreten konnte, das umgehend die Berufung einer Nationalversammlung zur Erarbeitung einer deutschen Reichsverfassung beschloss. Der „Fünfzigerausschuss“ des Vorparlaments legte dabei zugleich fest, dass die Wahl der Nationalversammlung in freien, gleichen und geheimen Wahlen – allerdings ohne Wahlrecht für Frauen – im Gebiet des Deutschen Bundes, im dänischen Schleswig und den nichtdeutschen Provinzen Preußens erfolgen sollte.
Die Nationalversammlung trat schließlich am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main zusammen. Mit einer seiner ersten Entscheidungen trug das Parlament unter seinem Vorsitzenden Heinrich von Gagern dem österreichischen Erzherzog Johann das Amt des sogenannten „Reichsverwesers“ an und damit die Leitung einer provisorischen Reichsregierung. Der Erzherzog trat dies Amt auch tatsächlich an, und der Bundestag übertrug ihm seine Vollmachten. Schon in der Folgewoche begann ein Parlamentsausschuss mit der Erarbeitung eines Verfassungsentwurfs, in dem die Grundrechte der Bürger und die künftige Staatsform – Republik oder Monarchie – geregelt werden sollten. Das erste deutsche Parlament debattierte daneben intensiv über die Frage, ob und in welchem Ausmaß das österreichische Kaiserreich Teil des künftigen deutschen Staates sein sollte. Ende Oktober 1848 beschlossen die Abgeordneten, dass nur die deutschen Gebiete der Habsburgermonarchie in das künftige deutsche Reich aufgenommen werden sollten. Da der österreichische Kaiser dieses Ansinnen ablehnte, setzte sich schließlich die sogenannte „kleindeutsche Lösung“ durch, nach der Österreich nicht Bestandteil des künftigen deutschen Reiches werden sollte.
Zeitgleich mit dem deutschen Parlament in Frankfurt am Main trat in Berlin die erste frei gewählte preußische Nationalversammlung zusammen. Auch hier stand, wie von Friedrich Wilhelm IV. zugesagt, die Ausarbeitung einer Verfassung – hier nun für Preußen – im Vordergrund. Doch ließ der König diese Versammlung schon gegen Jahresende durch das Militär wieder auflösen und oktroyierte eine eigene preußische Verfassung.
Dennoch wählte die Nationalversammlung in Frankfurt am Main Ende März 1849 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum deutschen Kaiser. Doch lehnte der Monarch diese Krone ab, da er im Geiste des überkommenen Gedankens vom Gottesgnadentum eine Legitimation „von Volkes Gnaden“ und damit die Anerkennung einer Volkssouveränität als nicht akzeptabel ansah.
Dennoch trat am 28. März 1849 die erste gesamtdeutsche Verfassung in Kraft. Mit ihr wurde zugleich ein neues deutsches Reich gegründet, dessen Oberhaupt durch einen Erbkaiser gestellt werden sollte. Zentrale Bereiche der Innenpolitik, außerdem Außenpolitik und Militärwesen wurden in die Verantwortung einer künftigen Reichsregierung gestellt. Diese neue Verfassung stieß jedoch bei den Fürsten Deutschlands auf große Zurückhaltung. Erste Länder – Österreich und Preußen – zogen ihre Abgeordneten aus Frankfurt am Main ab.
In Baden, Sachsen, der Pfalz und Preußen (Berlin) kam es vor diesem Hintergrund Anfang Mai erneut zu Unruhen, die – wie etwa Anfang Mai in Dresden oder im Sommer in der Pfalz und in Baden – teils blutig niedergeschlagen wurden. Die Fürsten erhöhten nun den Druck auf das Parlament, das Ende Mai nur noch als „Rumpfparlament“ mit 130 Abgeordneten bestand. Um den preußischen Truppen zu entgehen, verlegten die verbliebenen Parlamentarier den Sitz der Nationalversammlung nach Stuttgart. Doch dies „Rumpfparlament“ wurde schließlich am 18. Juni 1849 durch württembergisches Militär aufgelöst. Am Jahresende dankte schließlich noch Erzherzog Johann als „Reichsverweser“ ab.
Ausblick
Damit war der erste Versuch der Errichtung einer parlamentarischen deutschen Demokratie ebenso gescheitert wie die Bemühung um die Schaffung eines einheitlichen deutschen Staatsgebildes. Doch wenn auch die „Reaktion“ in Deutschland nun wieder die Oberhand gewann, hatten die Ereignisse doch prägende Kraft für das künftige Streben nach der deutschen Einheit ebenso wie für die Verfassungen des deutschen Kaiserreichs 1871 und der Weimarer Republik 1919. Im Zuge der Sitzungen der deutschen Nationalversammlung hatten sich Gruppierungen gebildet, die als Urformen der liberalen und konservativen Parteien in Deutschland betrachtet werden können. Und eine weitere Weiche war gestellt, die von dem späteren preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck mit Vehemenz vorangetrieben und schließlich 1871 zum Abschluss gebracht wurde: die Entscheidung für die „kleindeutsche Lösung“, also ein deutsches Reich ohne österreichische Beteiligung.
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